“No End of Vinyl” reviewed by African Paper

No End of Vinyl
Als Peter “Pure” Votava Ende des letzten Jahrhunderts mit dem Gebot brach “Du sollst dir kein Bild machen”, dass wahrscheinlich ebenso die Abwehr der zu billigen, der falschen Utopie ist, lieferte er dennoch mit “The End of Vinyl” ein gutes Drone-Album ab.

Das Ende von Vinyl – das schien Ende der 1990er als eine Art rationale Prophezeiung. Beobachtungen und Schlüsse, zu denen jeder Mensch (wenigstens potentiell) imstande ist, und die sich von denen eines “normalen” Menschen nur graduell unterscheiden, ließen vermuten, dass der Musikkonsum vollständig in die Immaterialität (ab)gleitet. Ein Medium wie Vinyl, dass aufbereitet wurde, um die Bedürfnisse und die Launen des (vermeintlichen) Musikliebhabers zu befriedigen, wies mehr als einen Fehler auf, aber schließlich ging bereits Strawinsky dazu über, die von ihm geleiteten Aufnahmen eigener Kompositionen zur verbindlichen Norm für jede Wiedergabe zu erklären. Er komponierte Stücke, deren Sätze gerade so lang gehalten sind, dass sie auf die Seite einer Grammophonplatte passten. Die Sorge des Musikers, sein Werk vor der Willkür des Ausübenden zu bewahren, erfuhr so eine vorher nicht mögliche Steigerung. Musik musste nicht länger in schriftliche Zeichen gepresst werden, sondern konnte als Klang seine Übermittlung finden. Eine Schallplatte ist nicht nur ein Grabstein, der musikalisch einen geschichtlichen Standort besetzt, von dem aus man die Deutung des Überlieferten vollzieht, sondern auch eine Art Spielstein, der für das Entwickeln neuer Klangwelten Verwendung findet. Das es sich dabei nicht einfach darum handelt, dass das was wirklich wird gegenüber dem als unendlich vorgestellten Möglichen vorweg etwas einschränkendes hat und sich so gleich um die Erfüllung der Wünsche bzw. den Inhalt der Wünsche betrogen sieht, spielt für die Mehrheit der Plattensammler eine nicht allzu große Rolle.

So konnte Pure seine Stücke zum Remixen freigeben und die äußeren Vorzeichen des Konzeptalbums in sein Gegenteil verkehren. “No End of Vinyl” geht sogar noch einen Schritt weiter und so erscheint diese Stücksammlung ausschließlich auf dem mittlerweile antiquierten Medium der Compact Disc.

Die Umsetzung der zehn Tacks ist allerdings durchwachsen. Während man bei der ersten Hälfte gut und gern Wilhelm Busch mit dem Ausspruch heranzitieren möchte: “Schön ist es auch anderswo. Hier bin ich sowieso”, dann beginnt dieses Wort besonders in der Erfüllung von Jorge-Sanchez-Chiongs musikalischer Interpretation sich als “Das Untier bin ich sowieso, auch Besitz ergriffen von dem Anderswo” zu entlarven. Allerdings ist die zweite Hälfte deutlich geglückter. Wobei Stück 5 (Goner – “The End of Vinyl”) und Stück 10 (Current 909 vs. Pure – “Never Ending Vinyl”) ein nettes antipodisches Verhältnis aufbauen, in dem sich Pita, Rashad Becker, Arturas Bumsteinas und Opicon nach Herzenslust austoben können. Man vermisst ein Stück von Ilsa Gold. Der wäre doch bestimmt etwas zum Auf- und Niedergehen eines Mediums eingefallen – und sei es ein Blockflöten-Drone.

In diesem Sinne sind sowohl Original als auch Remix als leerer Topos zu verstehen, der vom Raum in die Zeit geschoben wird. Es ist fertig, nur man selbst ist nicht dort oder man ist nicht nur nicht dort, sondern man selbst ist auch nicht bei sich. Es geht um das Benutzen oder Nicht-Benutzen eines Mediums und MP3s lassen sich horten, aber nicht sammeln.

Joris J.

via African Paper