Preziosen wie Laurie Anderson, Simon Fischer Turner oder Harald “Sack†Ziegler schmücken Geography (Crónica), das neue Album des portugiesischen Klangeroberers Vitor Joaquim. Und das alles „nur“, um in Folge der Überlegungen des Biogeographen Jared Diamond seinem Wunsch zu entsprechen, sich den Vollzugsweisen der Verortung nähern zu können. Wie zuvor den emotionalen Haushalten (Flow) oder der Idee universeller Unendlichkeit (Filament). Wer jetzt gleich von der „Vermessung der Welt“ schwafelt, wird sofort der Selbigen bezichtigt, wenn auch ohne irdischen Bezug.
Die Vielzahl der an Geography Teilhabenden rekrutiert sich aus den Samples, die Vitor Joaquim in sein eher meditativ anmutendes Werk eingeflochten hat. Sie entstammen der unzähligen Live-Performances des Musikers (an der Seite besagter und somit zitierter Kollegen) und erstellen somit auch eine persönliche Kartographie. Und doch (nicht dennoch) drängt sich ein Gedanke auf: Indem Vitor Joaquim kompiliert und verdichtet, desavouiert er zugleich den Gegenstand seines musikalischen Essays. Das Individuum erstellt immer Interpretationen seiner Umgebung, jeder Atlant bleibt Kompromiss. So lässt sich auch Geography als ein Dokument der Biographie verstehen (und genießen), muss aber hinter den selbst gestellten Anforderungen zurückbleiben.
Der Ansatz von Vitor Joaquim erinnert insofern u. a. an jenen, mit dem James Brooks seine Land Observations unternahm. Während der Brite die Verstandesleistung zum kreativen Pendant der vereinbarten Koordinaten erklärt, richtet sich der Portugiese tendenziell gegen die Individualisierung des als gegeben Verifizierten. Es sollte auch in seinem Schaffen – und somit entspricht er der Auffassung des Vordenkers Jared Diamond („Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften“) – Determinanten geben, von denen es sich erst a posteriori, also nach deren Anerkennung, wieder zu distanzieren gilt.
Es war wohl auch Jared Diamond, der an anderer Stelle erklärte, dass Menschen nur miteinander verkehren, damit kein anderer Artgenosse daherkommt, um den individuell verkehrenden Menschen zu verdrängen und somit zu ersetzen. Insofern ist es Vitor Joaquim zumindest gelungen, mit Geography ein Denkmal in eigener Sache zu setzen. Im Zweifel für die Kunst, dient Geographie doch vornehmlich, wenn nicht gar einzig und allein: der banalen Navigation. Stephan Wolf
via Amusio