Eine akademisch leicht angetrocknete Beschreibung des “Flow” geht von einer optimalen Herausforderung an das Wissen und Können eines Menschen und seiner damit einhergehenden Absorption in der Tätigkeit, oft mit erhöhtem Lebensgefühl verbunden, aus. Umgelegt auf die Rezeption (oder auch Erzeugung) von Musik, würde ich meinen, dass es sich um einen Idealzustand zwischen Kontemplation und Herausforderung, einem Kratzen am Unbekannten, beispielsweise in der Improvisation, aus dem sicheren Hafen des Erlernten, Verinnerlichten, handelt. Im konkreten Fall vorliegender Veröffentlichungen des verdienten portugiesischen Labels Crónica stellt Vitor Joaquim die menschliche Stimme, hier jene von Labelkollegin Filipa Hora, in ihrer Ausdruckskraft durch den Computer erweitert, oft in einer unentscheidbaren Superposition zwischen beunruhigend und wunderschön oszillierend, der digitalen Reizüberflutung elektronischer Möglichkeiten gegenüber. Diesen digitalen Fluss, besser dessen unzählige Nebenarme, lässt Joaquim wie unter Spannung vibrieren – paust, beschleunigt, überfordert – und immer wieder verstottern; im Extremfall bis, wie in “Thinking Moments”, die Stimme nur noch ein Hauchen ist, während die Musik graduell entschwindet, oder, wie im abschließenden “Misleading Moments”, vollkommener Stille Platz macht. Solcher technischen Ãœberhöhung gegenüber nimmt sich der Beitrag von Filipa Hora schon fast unangenehm intim aus, erreicht durch ihre dringliche Nähe aber auch unglaublich viel Atmosphäre und erinnert bestens an Arbeiten von AGF (Antye Greie-Fuchs). “Flow” meint hier demnach keine verträumt-ambiente Klangtapentenmalerei, sondern ein instinktiv angewandtes Landschaftsgärtnern mit Bewusstseinsströmen – was auf ganz außergewöhnliche Weise gelingt und eine ernsthafte Empfehlung allemal wert ist.