“Essays on Radio” reviewed by Bad Alchemy

Ein Konzeptwerk zum 2-jährigen Bestehen des portugiesischen Labels, das sich ganz um das Medium Radio dreht. Ein Medium, das einem seit Jahrzehnten die ersten Erfahrungen mit Betthupferln, Nachtmixen, Zapping, Detuning, Radiophonie, Kurzwellensalat, White Noise, dem Großen Rauschen beschert. Die Assemblage von 39 Beiträgen allein auf der Audio-CD, allesamt auf 2 Minuten begrenzt (Konzept!), stellt wie auf geheime Verabredung fast durchwegs nur Aspekte des Rauschens – Noise – auf der Senderskala ein. Mitgerauscht haben von @c über The Beautiful Schizophonic, Cáncer, Freiband, General Magic, John Hudak, Vitor Joaquim, Stephan Mathieu, o.blaat und Pita bis Steinbrüchel und Pedro Tudela Freunde des Hauses und gleichgesinnte Radiowellensurfer. Ich gebe zu, dass ich das Radio hochkant durchs geschlossene Fenster feuern würde, wenn dort nichts außer solchen 2-Minuten-Eiern gelegt würden. Me and my radio sind Freunde wegen DJs wie Harry Lachner und Karl Bruckmaier, wegen Sendungen wie Radiophon und Zündfunk-Nachtausgabe, weil es, trotz aller Muzak und Hirnvermüllung, immer noch die beste Quelle ist für Musica Nova, Weltmusk und Jazz, ein Draht zum Traum- und Geisterland zwischen hellwach und Halbschlaf, ein Refugium für Kultur, die nicht gegen die Haager Konvention verstößt und ein Delta der Informationsflüsse. ‚Mein‘ Radio erkenne ich in den ‚Essays‘ nur selten – den News- & O-Ton in tilias ‚doublethinktank III: we did our duty‘ mit einer entlarvenden Bush-Rede (oder deren Parodie? – wer kann heute noch seinen Augen oder Ohren trauen), in ‚Ears that Hear‘ von Pimmon und ‚Verbatim‘ von Paulo Raposo. Oder in Ran Slavins ‚Golden Twilight Moments‘ und der ‚Radiokunst‘ – die Musique concrète ist ein genuines Radiobaby – von Lawrence English… Die meisten ‚Radiophoniker‘ liefern, was sie immer liefern, dekonstruktives Allerlei, als ob das Radio nur Nullmedium wäre oder Endlosrille. Durán Vásquezs‚Goebbels‘ Pupils‘ verweist immerhin auf die demagogische Potenz der ‚Volksempfänger‘. In der Summe bleiben die ‚Essays‘ als ‚Waffen der Kritik‘ seltsam stumpf und selbstgenügsam.

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