“Poststop” reviewed by Bad Alchemy

Poststop
Poststop (Crónica 061-2011) ist das Ergebnis eines Workshops, den Blaine L. Reininger 2010 in Porto, ironischerweise in einem Pleite gegangenen Supermarkt geleitet hat. Wenn die Heuschrecken weiterziehen, kehren Künstler auf die kahlen Felder zurück? Die Teil­nehmer formierten das THE FUTUREPLACES IMPROMPTU ALL-STARS ORCHESTRA und laden hier in ‘The Post-Apocalyptic Shopping Mall’. Was erklingt, ist die aufbereitete Quint­essenz des Workshops und des Abschlusskonzertes. Als Aufbereiter fungierten mit Heitor Alvelos, Marc Behrens, Anselmo Canha, João Martins, Filipe Silva einige der Workshop­teilnehmer, aber auch Autodigest und @c und natürlich Reininger selbst, der mit markt­schreierischem Intro, ‘Tintro’ genannt, das Motto der Veranstaltung – ‘random operations’ – als Attraktion anpreist. Es fällt mir nicht ganz leicht, durch das ganze Drumrum zur Musik vorzudringen. Bei den 11 Minuten von @c ist sie eine hochdramatische Collage, punktiert von regelmäßigen schweren Schlägen. Der pure Liveausschnitt zeigt das mit Kontrabass, Klarinette, Strings und perkussivem und elektronischem Klimbim bestückte Orchester in Pascal-Comeladescher Minimalistik und Verspieltheit mit Impromptu-Lyrics von Reininger. Behrens dickt Instrumentalsounds ein, verlängert sie zu Haltetönen und knurrigen oder träumerischen Wellen, lässt Möven schrillen und zerreißt das mehrmals mit markantem Ratschen. Er bestreitet auch das Finale, indem er Drummachine, Scratching und Reininger-Shubidu durchdrehen lässt. Dazwischen bereiten die portugiesischen Kollegen verschie­dene Bacalhau-Spezialitäten, mal instrumental, mal elektronisch, mal mit Alltagsgeräu­schen gewürzt, oder ein elektroakustisches Carne de porco com amêijoas e trombeta. Die Reize des Zufälligen und Unfertigen, von Soundchecking und Instrumentenstimmen er­schließen sich nicht immer unmittelbar. Die Aufbereitung trägt mir das Mäntelchen der Beliebigkeit etwas zu kokett. Dennoch lassen es einige surreale Momente ratsam erschei­nen, die eine Flasche Portwein durch eine zweite auszubalancieren. Rigobert Dittmann